US-Notenbankchef: „Zinssenkungen bereits vor Erreichen des 2%-Ziels“

US-Notenbankchef: „Zinssenkungen bereits vor Erreichen des 2%-Ziels“

 

Mit Spannung erwarteten die Marktteilnehmer am Montag den Auftritt des US-Notenbankchefs Jerome Powell vor dem Economic Club of Washington. Das lag weniger am Format der Veranstaltung als vielmehr am Timing. Denn es war der erste öffentliche Auftritt von Jerome Powell nach den zuletzt erfreulichen Inflationsdaten. Die Märkte erhofften sich weitere Informationen über den Zeitpunkt der lang erwarteten ersten Leitzinssenkung.

Die wichtigsten Aussagen

Zu Beginn seiner Rede betonte Powell, dass er keine Signale bezüglich des Zeitpunkts von Zinssenkungen geben werde. Zwischen den Zeilen schien er die Märkte jedoch implizit darauf vorzubereiten, dass die erste Zinssenkung nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte.

So betonte Powell die übliche Vorgehensweise einer Notenbank, wonach bei einer rückläufigen Inflationsrate Zinssenkungen bereits vor Erreichen des Zielwertes vorgenommen werden. Dahinter steht die Annahme, dass die Geldpolitik verzögert wirkt und die Zinsen rechtzeitig gesenkt werden müssen, um ein Unterschreiten des Inflationsziels von 2% zu verhindern. Hier knüpfte er an die Aussagen der vergangenen Woche an und warnte vor den negativen Folgen einer „zu späten“ Zinssenkung.

Darüber hinaus ging der Notenbankpräsident explizit auf das duale Mandat der Fed ein, das sowohl Preisstabilität als auch Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt umfasst. Ersteres hatte in den vergangenen zwei Jahren eindeutig im Vordergrund gestanden. Jerome Powell deutete jedoch an, dass die Balance zwischen der Dringlichkeit der Inflationsbekämpfung und der Unterstützung des Arbeitsmarktes nahezu wiederhergestellt sei. Die Fed sieht deutliche Abkühlungserscheinungen am Arbeitsmarkt und könnte diese Entwicklung in Zukunft wieder stärker berücksichtigen. Sollte sich die Situation verschlechtern, könnte dies ein Grund zum Handeln sein.

Der Notenbankchef betonte zudem, dass das Szenario eines „hard landing“, also eines Abrutschens in eine tiefe Rezession, nicht mehr sehr wahrscheinlich sei.

Mit Blick auf die Zinslandschaft in den kommenden Jahren unterstrich er seine Aussagen von letzter Woche. Die niedrigen Zinsen und Inflationsraten, die zwischen der globalen Finanzkrise und der COVID-Krise zu beobachten waren, dürften auf absehbare Zeit nicht wiederkehren.

Nachdem der Kampf gegen die Inflation in den USA im ersten Quartal ins Stocken geraten war, zeigte sich der Notenbankchef mit dem zweiten Quartal zufriedener. Dennoch bekräftigte er das Mantra der letzten Monate, dass Zinsentscheidungen „datengetrieben“ getroffen werden. Bevor die Fed die Zinsen senke, brauche sie mehr gute Inflationsdaten und mehr Zuversicht, dass sich die Inflationsraten dem Zielwert von zwei Prozent annähern.

Der Hintergrund

Die Headline-Inflationsrate in den USA ist im Juni von 3,3% auf 3,0% gesunken. Auf Monatsbasis ist die Rate zum ersten Mal seit vier Jahren zurückgegangen und auch eine der hartnäckigsten Komponenten, die Preissteigerung von Wohnraum (Shelter), ist deutlich weniger stark gestiegen als vom Markt erwartet. Noch bevor diese positiven Inflationszahlen veröffentlicht wurden, änderte sich die Kommunikation der Federal Reserve (Fed). In ihrem bisherigen Kampf gegen die Teuerung hatte die Fed regelmäßig vor den Gefahren der Inflation für die Wirtschaft gewarnt und die Notwendigkeit einer restriktiven Geldpolitik mit hohen Zinsen betont.

In seinen jüngsten Äußerungen hat der Notenbankchef nun explizit auf die Gefahren hingewiesen, die von „zu späten“ Zinssenkungen insbesondere für den Arbeitsmarkt ausgehen können. Ausschlaggebend für diese Äußerungen dürften nicht zuletzt die aktuellen US-Arbeitsmarktdaten gewesen sein. Denn der im Jahresverlauf stark überhitzte Arbeitsmarkt zeigt mittlerweile deutliche Abkühlungstendenzen.

Fazit

Zentralbanken können die Märkte auf verschiedene Weise beeinflussen. Die Steuerung der Erwartungen der Marktteilnehmer durch Kommunikation ist eine davon. Der in der vergangenen Woche beobachtete Wandel in der Kommunikation des US-Notenbankchefs ist daher von besonderer Bedeutung. Dieser scheint die Märkte implizit auf eine baldige Zinssenkung vorbereiten zu wollen.