US-Notenbanksitzung: Rückblick und Einordnung des aktuellen Arbeitsmarktberichts
Nur wenige Tage nach der Juli-Sitzung der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) hat die Veröffentlichung eines schwächeren Arbeitsmarktberichtest für große Verunsicherung an den Märkten gesorgt.
Sitzungsprotokoll: Zusammenfassung
Mit Blick auf die jüngsten Indikatoren attestierte die Fed der US-Wirtschaft ein solides Wachstumstempo. Der Arbeitsmarkt habe sich zwar zuletzt schwächer entwickelt, die Arbeitslosenquote sei aber mit 4,1 Prozent auch nach den Anstiegen der letzten drei Monate immer noch niedrig. Die Fed sieht zwar einen Rückgang der Inflation im bisherigen Jahresverlauf, die Rate liegt aber immer noch über ihrem Inflationsziel von 2%.
Die Fed hat ein duales Mandat, wonach sie mit ihrer Geldpolitik die beiden Ziele Vollbeschäftigung und Preisstabilität verfolgt. Vor diesem Hintergrund betonte die Notenbank, dass die Inflationsbekämpfung in der näheren Vergangenheit das vorrangige Ziel gewesen sei. Da der Preisdruck in jüngster Zeit nachgelassen habe, seien die Risiken für das Erreichen der beiden Ziele fast ausbalanciert. Der wirtschaftliche Ausblick sei unsicher und die Fed werde die Risiken für beide Seiten ihres Doppelmandats im Auge behalten und entsprechend handeln.
Um ihre Ziele zu erreichen, beschloss die Fed, den Leitzins nicht zu erhöhen und in einer Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent zu belassen. Sie bekräftigte, dass endgültige Entscheidungen über Zinsänderungen weiterhin auf der Grundlage einer sorgfältigen Analyse der eintreffenden Daten, der Entwicklung der wirtschaftlichen Aussichten und einer sorgfältigen Risikobewertung getroffen werden. Vor diesem Hintergrund betonte die US-Notenbank, dass sie die Zinsen noch nicht senken könne, da sie derzeit noch nicht ausreichend davon überzeugt sei, dass sich die Inflation nachhaltig ihrem Inflationsziel von 2 % annähere. Über die Zinspolitik hinaus werde die Fed den Abbau der Zentralbankbilanz weiter vorantreiben.
Die Fed bekräftigte, dass sie an ihrem Inflationsziel festhalte. Sie sei bereit, ihren geldpolitischen Kurs anzupassen, wenn die Erreichung ihres Ziels gefährdet sei. Ihre Analyse und Bewertung stütze sich auf eine breite Datenbasis, die Arbeitsmarktbedingungen, Inflationserwartungen, Inflationsdruck, internationale Entwicklungen und Finanzmarktdaten umfasse.
Pressekonferenz: Die wichtigsten Aussagen
Gleich in seinem ersten Satz betonte US-Notenbankchef Jerome Powell, dass sich die Fed voll und ganz auf die Erfüllung ihres Doppelmandats konzentriere. Die Berücksichtigung beider Ziele sei nun nahezu gleichgewichtig.
Angesichts der aktuellen Datenlage sieht die Fed den Arbeitsmarkt in einer ähnlichen Situation wie kurz vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie – ein starker, aber nicht überhitzter Arbeitsmarkt. Jerome Powell betonte, dass sich der Arbeitsmarkt allmählich von einer überhitzten Situation normalisiere. Zinsentscheidungen würden weiterhin von Sitzung zu Sitzung getroffen. Die Inflationsdaten des zweiten Quartals hätten die Notenbank zuversichtlicher gestimmt.
Einerseits sind sich die Währungshüter bewusst, dass eine zu frühe oder zu starke Lockerung der Geldpolitik die bisherigen Erfolge bei der Inflationsbekämpfung zunichtemachen könnte. Andererseits könnten zu späte oder zu geringe Zinssenkungen die Konjunktur und die Beschäftigung schwächen.
Sollten sich die Inflationsraten als hartnäckig erweisen und die US-Wirtschaft robust bleiben, werde die Notenbank den Leitzins so lange wie nötig unverändert lassen. Die Fed sei sowohl auf eine Situation vorbereitet, in der die Inflationsrate schneller als erwartet sinkt, als auch auf eine Situation, in der sich der Arbeitsmarkt stärker als erwartet abschwächt.
Jerome Powell bestätigte, dass eine erste Zinssenkung im September möglich sei, wenn die Inflations- und Wirtschaftsentwicklung den Erwartungen der Fed entspreche. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Inflation rasch oder mehr oder weniger erwartungsgemäß zurückginge, der Arbeitsmarkt in seiner derzeitigen Verfassung bliebe und das Wirtschaftswachstum stark bliebe. Sollte die Inflation hartnäckig bleiben oder wieder ansteigen, würde eine Abwägung stattfinden. Dabei würden die Inflationsdaten, die Beschäftigung und eine ausgewogene Risikoeinschätzung berücksichtigt. Ausdrücklich betonte er, dass die Entscheidung über eine mögliche Zinssenkung im September nicht vom Zeitpunkt der US-Wahlen beeinflusst werde.
Jerome Powell wollte sich nicht auf das weitere Vorgehen der Fed festlegen, ein Zinsschritt von 50 Basispunkten sei aber aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.
Die Fed schaue sehr genau auf den Arbeitsmarkt und die Möglichkeit eines starken Einbruchs. Derzeit würden die Daten aber für eine „Normalisierung des Arbeitsmarktes“ sprechen.
Was sich seit der Notenbanksitzung geändert hat
Für große Verunsicherung an den Märkten sorgte der Arbeitsmarktbericht, der nur wenige Tage nach der Notenbanksitzung veröffentlicht wurde. Dieser fiel deutlich schwächer aus als vom Markt erwartet. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen lag mit 114.000 deutlich unter der Konsensschätzung von 175.000. Zudem stieg die Arbeitslosenquote unerwartet zum vierten Mal in Folge an und liegt nun bei 4,3 %. Diese Zahlen haben bei vielen Marktteilnehmern die Angst vor einer möglichen Rezession in den USA verstärkt. Nicht zuletzt deshalb, weil ein in der Vergangenheit sehr erfolgreicher Rezessionsindikator (Sahm Rule) ansprang. Dies löste unmittelbar wilde Zinssenkungsspekulationen an den Märkten aus, die bis hin zu Forderungen der Marktteilnehmer nach einer außerplanmäßigen „Notfall-Zinssenkung um 50 Basispunkte“ reichten. Nachdem in dieser Woche stärkere Zahlen aus dem Dienstleistungssektor kamen und auch die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe unter den Erwartungen lagen, wurden die Zinssenkungserwartungen am Markt wieder etwas zurückgenommen.
Bewertung der gegenwärtigen Lage
Die Fed hat angekündigt, dass sie auf eine unerwartete Verschlechterung des Arbeitsmarktes reagieren wird. Die unmittelbare Reaktion der Marktteilnehmer auf den Arbeitsmarktbericht erschien uns übertrieben. Dies umso mehr, als die Fed regelmäßig betont, dass sie ihre Entscheidungen von einer Vielzahl von Indikatoren abhängig machen wird und den Arbeitsmarkt erst wenige Tage zuvor als solide bezeichnet hatte. Tatsächlich lassen sich die aktuellen Zahlen auf mehreren Ebenen relativieren.
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Abkühlung am Arbeitsmarkt und ein damit einhergehender nachlassender Inflationsdruck ein beabsichtigtes Ziel einer restriktiven Geldpolitik ist. Eine Abkühlung am Arbeitsmarkt und ein Anstieg der Arbeitslosenquote dürften daher von der Fed beabsichtigt und erwartet worden sein. Wir sehen die Entwicklung am Arbeitsmarkt weiterhin eher als „Normalisierung“ und nicht als Vorbote eines bevorstehenden „hard landing“ der US-Wirtschaft.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass sich die Erstveröffentlichungen des Berichts über neu geschaffene Stellen in der Vergangenheit als sehr unzuverlässig erwiesen haben. Hier kommt es häufig zu erheblichen Revisionen. So lag die Zahl der neu geschaffenen Stellen im April 2024 mit 108.000 sogar noch unter der in der aktuellen Veröffentlichung genannten Zahl.
Die wichtige Botschaft ist, dass immer noch relativ viele neue Stellen geschaffen werden. Auch die Kündigungs- und Entlassungsraten am US-Arbeitsmarkt sind mit der Annahme einer Normalisierung am Arbeitsmarkt vereinbar.
Die US-Notenbank hat in den letzten Monaten verstärkt auf die große Bedeutung einer starken Zuwanderung hingewiesen. Diese wirke durch die Ausweitung des Arbeitsangebots dämpfend auf die Lohnforderungen und verringere damit den Inflationsdruck. Insgesamt drängen auch ohne Zuwanderung weiterhin viele Menschen auf den Arbeitsmarkt. Solange diese noch keine adäquate Beschäftigung gefunden haben, werden sie zwangsläufig als arbeitslos registriert. Die durch den Hurrikan Beryl verursachten Störungen am Arbeitsmarkt im vergangenen Monat dürften als externer Faktor eine geringe Rolle gespielt haben.
Fazit:
Die zentrale Frage lautet also nun, ob die aktuellen Zahlen so stark von den Projektionen der US-Notenbank abweichen, dass diese eine weitreichende Strategieanpassung vornehmen wird. Dies scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Der Arbeitsmarktbericht ist lediglich ein Baustein in der Ausrichtung der Strategie. Die Fed hat in der jüngsten Vergangenheit mehrfach betont, dass die Zinsentscheidung nicht von einer einzelnen Veröffentlichung abhängig gemacht werde.
Nach den zuletzt schwächeren Arbeitsmarktzahlen gehen wir aktuell davon aus, dass die Fed im September die erste Zinssenkung um mindestens 25 Basispunkte beschließen wird. Sollte der Preisdruck weiter rückläufig sein, könnte vor dem Hintergrund der zuletzt schwächeren Arbeitsmarktzahlen auch eine Senkung um 50 Basispunkte im Raum stehen. Unabhängig von den konkreten Schrittgrößen, dürften die Leitzinsen zum Jahresende 75 bis 100 Basispunkte unter ihrem aktuellen Niveau liegen.