EZB: Leitzinssenkung plus erwartete Zinsanpassung
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat entsprechend den Erwartungen den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,50% gesenkt.
Die EZB steuert ihre Geldpolitik im Wesentlichen durch die Festlegung von drei Zinssätzen. Der erste ist der Zinssatz für die Einlagefazilität (Einlagesatz), der als Leitzins fungiert. Der zweite ist der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (Ausleihesatz) und der dritte ist der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Reposatz). Bereits im März hatte die Notenbank angekündigt, die Spanne zwischen diesen Zinssätzen bis September dauerhaft zu verringern. Der neue Abstand zwischen Einlagen- und Reposatz beträgt nun 0,15 Prozentpunkte. Der Abstand zwischen Repo- und Ausleihesatz bleibt unverändert bei 0,25 Prozentpunkten. Um die neue Spanne einzuhalten, musste die EZB heute beide Sätze um jeweils 0,6 Prozentpunkte senken. Der Reposatz wurde somit von 4,25% auf 3,65% und der Ausleihesatz von 4,5% auf 3,9% gesenkt.
Der EZB Pressebericht
Die Zentralbank zeigte sich zuversichtlich, dass ihre bisherige Geldpolitik die Inflation soweit unter Kontrolle gebracht habe, dass nun eine weitere Lockerung erfolgen könne. Die Inflationsrate entwickle sich im Einklang mit den Erwartungen der EZB. Allerdings müsse die EZB ihre Prognose für die Kerninflationsrate, die ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise berechnet wird, leicht anheben. Grund dafür sei der anhaltende Preisauftrieb bei Dienstleistungen. Im Jahr 2026 sieht die EZB beide Inflationsraten bei ihrem Zielwert von 2%. Die wirtschaftliche Aktivität im Euroraum werde weiterhin durch die aktuelle Finanzierungssituation gedämpft, was sich insbesondere in schwächeren Investitionen und privaten Konsumausgaben widerspiegele.
Die Notenbank bekräftigt ihr Mantra der vergangenen Monate, Zinsentscheidungen „datengetrieben“ zu treffen. Mögliche Änderungen würden von Sitzung zu Sitzung diskutiert und entschieden.
Die Zinsen würden so lange hoch bleiben, wie es nötig sei, um das mittelfristige Inflationsziel von 2% zu sichern.
Zur Reduzierung der Zentralbankbilanz gab es keine wesentlich neuen Informationen. Die Bestände an Anleihen aus dem Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) werden weiterhin um 7,5 Mrd. pro Monat reduziert. Auch die Bestände im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) nehmen weiter ab.
Wie geht es weiter?
Die Inflationsraten im Euroraum sind weiterhin rückläufig. Die konjunkturellen Aussichten bleiben jedoch verhalten, was sich auch in den kommenden Zinsentscheidungen niederschlagen dürfte. Denn eine weitere Lockerung der Geldpolitik könnte die Realwirtschaft stützen. Aktuell signalisieren die Frühindikatoren eher eine leichte Abschwächung als eine Fortsetzung der zu Jahresbeginn begonnenen Erholung. Schlechte Konjunkturdaten kommen vor allem aus Deutschland. Im Vergleich der großen Wirtschaftsräume dürfte der Euroraum 2024 das Schlusslicht bilden. Das europäische BIP dürfte um rund 0,7 % wachsen.
Vor dem Hintergrund sinkender Inflationsraten, vor allem aber aufgrund der eingetrübten konjunkturellen Lage erwarten wir derzeit eine weitere Zinssenkung der EZB um 0,25 Prozentpunkte im Jahresverlauf. Der Einlagesatz würde dann bei 3,25% liegen. Aber auch wenn die nächste Zinssenkung erst Anfang 2025 erfolgen sollte, gehen wir insgesamt davon aus, dass der Zinssenkungszyklus der EZB weitergeht und die Zinsen mittelfristig sinken werden. Dennoch sollte die Gefahr eines Wiederaufflammens der Inflation im Euroraum nicht unterschätzt werden. Vor allem vom Dienstleistungssektor gehen nach wie vor deutliche Inflationsimpulse aus. Sollte die Inflation unerwartet stark ansteigen, dürfte die EZB eingreifen und ihren Zinssenkungszyklus unterbrechen. Allerdings ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass die Inflationsraten im weiteren Jahresverlauf aufgrund von Basiseffekten wieder höher ausfallen dürften.
Fazit: Die September-Sitzung der EZB brachte keine Überraschungen. Nach einer kurzen Sommerpause setzte die EZB wie erwartet ihren Zinssenkungszyklus fort und nahm zudem eine Anpassung des Zinskorridors vor. Hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens hielt sich die Notenbank bedeckt.