Deutschland: ZEW-Konjunkturerwartungen im Sinkflug
Der vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW ermittelte konjunkturelle Frühindikator fiel im September deutlich um 15,6 auf 3,6 Punkte. Der Wert lag noch unter der bereits abwärts gerichteten Konsensprognose von 16,5 Zählern. Dies markiert den dritten Rückgang in Folge und den niedrigsten Wert seit Oktober 2023.
Konjunktur-Erwartung zeigt Stagnation
In den kommenden sechs Monaten erwartet die Mehrheit von 51,6% der Befragten keine konjunkturelle Veränderung. Der Anteil derjenigen, die mit einem Aufschwung rechnen ist auf 26,0 gesunken. Die Skepsis steigt und so sehen 22,4% eine Verschlechterung. Daraus errechnet sich der aktuelle ZEW Indikator von 3,6 Punkten.
Lage auf tiefstem Stand seit Coronabeginn
Die Einschätzung der aktuellen Lage hat sich ebenfalls verschlechtert. Kein Befragter (0,0%) empfindet sie als gut, 15,5% sehen sie als normal an und 84,5% beurteilen sie als schlecht. Per Saldo fällt der entsprechende Lage-Indikator um 7,2 auf minus 84,5 Punkte. Dies ist der niedrigste Wert seit Mai 2020, als die Coronapandemie gerade frisch ausgebrochen war. Zuvor wurde die Lage im ersten Halbjahr 2009, dem Höhepunkt der Finanzkrise, so schlecht eingeschätzt. Die derzeitige Lage rangiert also auf einem Level mit Zeiten handfester globaler Krisen. Der wesentliche Unterschied: die USA werden aktuell mit einem Saldo von 13,8 positiv bewertet.
Erwartung stagnierender Inflationsraten
In der September-Befragung geht die Mehrheit in Höhe von 48,1% davon aus, dass sich die Inflationsrate in Deutschland nicht verändern wird. Die zweitgrößte Gruppe, 40,5% der Ökonomen, rechnet mit einer abnehmenden Teuerungsrate. Der Anteil derer, die an eine steigende Inflationsrate glauben hat sich leicht erhöht. Diese machen nun 11,4% der Befragten aus (-1,6%). Dies dürfte darin begründet sein, dass aufgrund von Basiseffekten die Inflation zum Jahresende steigenden dürfte.
Für den Euroraum zeigt sich ein ähnliches Bild. So gehen 51,3% von einer unveränderten und 38,6% von einer sich reduzierenden Preissteigerungsrate aus. Diejenigen, die mit einer sich erhöhende Inflation rechnen stellen die Minderheit. Ihr Anteil hat sich jedoch mit +4,8 Prozentpunkten auf 10,1% fast verdoppelt.
Für die USA liegt die Mehrheitseinschätzung mit 54,8% bei einer nachlassenden Teuerungsrate. Der Anteil ist um 0,4 Prozentpunkte gegenüber August gestiegen.
Sinkende Leitzinsen erwartet
Bei den stark von den Notenbanken beeinflussten kurzfristigen Zinsen bleiben die Einschätzungen weiter abwärtsgerichtet. Auch nach den im Juni und September erfolgten Leitzinssenkungen durch die EZB rechnet eine klare Mehrheit von 92,5% mit mindestens einer weiteren Senkung innerhalb der nächsten 6 Monate. Für die Fed sehen dies 89,9%, ihr Anteil ist mit einem Plus von 6,0 Prozentpunkten weiter gestiegen.
Unveränderte kurzfristige Zinsen östlich bzw. westlich des Atlantiks sehen 6,9% bzw. 8,9% der Befragten. Nur eine Minderheit geht von steigenden Leitzinsen in der Euro-Zone (0,6% der Experten) und den USA (1,2%) aus.
Renditen unverändert
Rund die Hälfte der Befragten sieht im kommenden halben Jahr unveränderte langfristige Zinsen. Für Deutschland sind es 52,2%, für die USA 44,3%. Mit rückläufigen Renditen in Deutschland rechnen 35,8% und in den USA 43,7% der Volkswirte. Steigende Langfristzinsen erwarten nur 12,0% für Deutschland und ebenfalls 12,0% für die USA.
DAX soll leicht steigen
Beim DAX hat die Zahl der Optimisten leicht zugenommen. Mittlerweile rechnen 43,4% der Befragten in den kommenden sechs Monaten mit steigenden Notierungen. Mit 34,9% der Experten erwartet die zweitgrößte Gruppe einen unveränderten Deutschen Aktienindex. Mit einem rückläufigen Börsenbarometer rechnen 21,7%.
Dollar soll sich seitwärts bewegen
Die Mehrheit (42,6%) der Befragten sieht den US-Dollar gegenüber dem Euro für die nächsten sechs Monate unverändert. Während 28,4% eine Aufwertung erwarten, gehen 29,0% von einer Abwertung aus.
Fazit: Die Konjunkturerwartungen haben sich im September weiter eingetrübt. Die Lageeinschätzung ist auf dem tiefsten Stand seit Ausbruch der Coronapandemie. Trotz dieser niedrigen Ausgangsbasis rechnet nur ein Viertel der Befragten mit einer Verbesserung im nächsten halben Jahr.
Hintergrund: Vorbote konjunktureller Wendepunkte
Der ZEW Indikator gilt als Vorbote konjunktureller Wendepunkte in Deutschland. Die ZEW Konjunkturerwartungen sind ein Frühindikator für die wirtschaftliche Lage, vergleichbar mit den ifo Geschäftserwartungen. Abgefragt werden die Erwartungen für die kommenden sechs Monate.
ZEW Indikator seit 1991
Seit 1991 werden im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests monatlich bis zu 300 Expertinnen und Experten von Banken, Versicherungen und Finanzabteilungen ausgewählter Großunternehmen kontaktiert. Sie werden nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung in Deutschland, der Euro-Zone, den USA und China befragt.
Konkret sind es die Erwartungen für die nächsten 6 Monate bezüglich Wirtschaftswachstums, Inflationsraten, Zinsen, Aktienindizes und Wechselkursen.
An der Juli-Umfrage des ZEW vom 8. bis 15.07.2024 beteiligten sich 158 Personen.