Euroraum: BIP-Wachstum im 3.Quartal bei 0,4%
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum ist im dritten Quartal 2024 gemäß des statistischen Amtes der Europäischen Union (eurostat) saisonbereinigt um 0,4% zum Vorquartal gewachsen. Die Konsensschätzung war mit 0,2% deutlich pessimistischer. Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Anstieg bei 0,9%.
Nach fünf äußerst schwachen Quartalen mit +/-0,1% Veränderung folgt nun das dritte Quartal in Folge mit moderatem Wachstum. Insofern kann man im laufenden Jahr von einer leichten Erholung sprechen. Im enttäuschenden Jahr 2023 war das Wachstum des Euroraumes von 0,4% fast ausschließlich auf den statistischen Überhang zurückzuführen.
Deutschland mit Erholung
In Deutschland kam es überraschend zu einer Erholung. Hatte der Konsens mit einem leichten Rückgang von -0,1% zum Vorquartal gerechnet, kam es tatsächlich zu einem leichten Plus von 0,2%. Einziger Wehmutstropfen: der Wert des Vorquartales wurde von zuvor -0,1% auf nun -0,3% nach unten revidiert. Dies steht im starken Gegensatz zu den Stimmungsindikatoren aus dem dritten Quartal, die weitgehend schlechter ausfielen als im vorangegangenen Dreimonatsabschnitt. Außerdem setzt sich die erstaunliche Reihe fort, in der sich BIP-Veränderungsraten mit positivem und negativem Vorzeichen abwechseln. Inzwischen reicht die Reihe elf Quartale zurück.
Im Euroraum überrascht Spanien positiv
Der französische BIP-Anstieg lag mit 0,4% leicht über der Markterwartung von 0,3%. Außerdem war er damit erneut auf gleichem Niveau wie das Wachstum des gesamten Euroraumes. In Italien kam es mit einer Veränderungsrate von 0,0% zu einer Stagnation, was die Erwartungen, die bei 0,2% lagen, enttäuschte. Spanien wies mit einem Plus von 0,8% einmal mehr das stärkste Wachstum der großen Euro-Länder aus. Damit konnten die Iberer die ohnehin hohen Prognosen von +0,6% sogar noch übertreffen. Außerdem liegt das Wachstum erneut über dem der USA und Chinas.
Deutschland ist mit einem Anteil von annähernd 30% am gesamten Euro-BIP das Schwergewicht in der Währungsunion. Auf Platz Zwei liegt Frankreich mit rund 20%, gefolgt von Italien mit knapp 15% und Spanien mit gut 10%. Damit werden in den vier größten Volkswirtschaften fast drei Viertel des Euro-BIP generiert.
Entkopplung von Stimmung und Realwirtschaft?
Die Stimmungsindikatoren scheinen derzeit wenig verlässlich. Konnte man früher vom Einkaufsmanagerindex der Industrie recht gut ablesen, wie sich die Konjunktur im entsprechenden Zeitraum entwickelt haben könnte, scheint dies derzeit wenig aufschlussreich. Beispielsweise lag der Wert für Deutschland im zweiten Quartal mit durchschnittlich 43,8 Punkten höher als im dritten Quartal mit 42,1 Punkten. Tatsächlich gab es im zweiten Dreimonatsabschnitt jedoch eine Kontraktion, während es darauffolgend ein leichtes Wachstum gab. Insofern gilt es die Gesamtheit der Indikatoren und insbesondere den eigentlich weniger konjunktursensitiven Dienstleistungsbereich zu berücksichtigen.
Wie geht es weiter?
Für das Gesamtjahr 2024 rechnen wir weiterhin mit einer Stagnation in Deutschland (0,0% Wachstum). Dabei dürfte es wenig ausschlaggebend sein, ob am Ende -0,2% oder +0,2% reale BIP-Veränderung ausgewiesen werden. Vereinfacht gesagt, wird das reale BIP berechnet indem vom nominalen BIP die Inflationsrate abgezogen wird. Da die Inflationsberechnung bei derzeit stärker schwankenden Preisen schwierig ist, kann es hier schnell zu Anpassungen von 0,1 Prozentpunkten kommen. Außerdem zeigt die Erfahrungen, dass nachträgliche Revisionen auch unabhängig davon häufig +/- 0,2 Prozentpunkte betragen. So wurde nun die BIP-Veränderung für das zweiten Quartal von -0,1% auf -0,3% revidiert. Für 2025 schätzen wir den Zuwachs der Wirtschaftsleistung auf 0,5%.
Für Frankreich sehen wir im Gesamtjahr 2024 ein Wachstum von 1,2% (2025: 1,0%), für Italien 0,5% (2025: 0,8%) und für Spanien 3,0% (2025: 2,3%).
Im gesamten Euroraum zeichnet sich in diesem Jahr ein BIP-Plus von etwa 0,8% ab. Im nächsten Jahr rechnen wir mit einer leichten Beschleunigung auf 1,0%. Auf diesem Niveau sehen wir auch das mittelfristige Trendwachstum (Potentialwachstum). Dies liegt niedriger als in früheren Dekaden, da aufgrund der demographischen Struktur weniger Menschen im Erwerbsalter sein werden. Zudem könnte der technische Fortschritt im Digital- und KI-Bereich weniger im BIP messbar sein als bei klassischen industriellen Effizienzsteigerungen in vergangenen Zeiten.
Im Vergleich der großen Wirtschaftsblöcke dürfte der Euroraum 2024 das Schlusslicht werden. Das BIP dürfte um rund 0,8% zulegen. In den USA rechnen wir mit einem Plus von 2,7% und China dürfte auf eine Wachstumsrate von etwa 4,8% zusteuern. Prognoseunsicherheiten ergeben sich jedoch aus dem Wahlausgang der US-Wahl.
Fazit: Die Konjunktur in Europa entwickelte sich nicht so schlecht wie befürchtet. Deutschland ist nicht in einer Rezession, sondern „nur“ in einer Stagnation. Spanien gleicht dies jedoch aus. Mit voraussichtlich 0,8% dürfte der BIP-Anstieg im Jahr 2024 auf dem Niveau des künftigen Trendwachstums liegen.
Hinweis
Vergleicht man die Werte mit anderen Ländern muss man genau darauf achten, welche Veränderungsrate dargestellt wird. Z.B., ob die Bezugsgröße das Vorjahresquartal oder das Vorquartal ist und, ob die Rate annualisiert wurde. Insbesondere die USA weisen meist die annualisierte Rate aus, d.h., dass berechnet wird, wie hoch das jährliche Wachstum ausfallen würde, wenn vier Quartale in Folge den identischen Anstieg ausweisen würden. Dadurch sieht die Zahl mehr als viermal so groß aus. China dagegen stellt die Veränderung zum gleichen Quartal des Vorjahres in den Vordergrund.