ZEW-Konjunkturerwartungen überraschend verbessert
- Lageeinschätzung auf historischem Tief
- Ausblick überraschend etwas verbessert
- Inflationserwartungen leicht reduziert
Der vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW ermittelte konjunkturelle Frühindikator verbesserte sich im Dezember überraschend um 8,3 auf 15,7 Punkte. Damit stemmt sich das Expertenbarometer gegen den bisherigen Trend der Stimmungsindikatoren der Unternehmer (ifo) und Einkaufsmanager (PMI), die im Dezember abwärtsgerichtet waren. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund der schlechten Einschätzung zur aktuellen Lage zu sehen, die im Ausblick eine weitere Verschlechterung unwahrscheinlicher erscheinen lässt.
Lageeinschätzung auf Niveaus historischer Tiefstände
Die Einschätzung der aktuellen Lage hat sich weiter verschlechtert. Kein Befragter (0,0%) empfindet sie als gut, 6,9% sehen sie als normal an und 93,1% beurteilen sie als schlecht. Per Saldo fällt der entsprechende Lage-Indikator um 1,7 auf minus 93,1 Punkte. Dieser Wert unterscheidet sich kaum von dem aus Mai 2020, dem absoluten Tiefpunkt im Zuge der frisch ausgebrochenen Corona-Pandemie. Zudem liegt die Lageeinschätzung sogar unter dem Stand vom ersten Halbjahr 2009, dem Höhepunkt der Finanzkrise. Die derzeitige Lage rangiert also auf einem Level mit Zeiten handfester globaler Krisen. Der wesentliche Unterschied: die USA werden aktuell mit einem Saldo von 31,0 sehr positiv bewertet.
Konjunktur-Erwartung zeigt Stagnation
In den kommenden sechs Monaten erwartet die Mehrheit von 54,1% der Befragten keine konjunkturelle Veränderung. Der Anteil derjenigen, die mit einem Aufschwung rechnen ist auf 30,8 gestiegen. Dagegen sehen 15,1% eine weitere Verschlechterung. Daraus errechnet sich der aktuelle ZEW Indikator von 15,7 Punkten.
Inflationserwartungen differenziert
In der Dezember-Befragung geht die Mehrheit in Höhe von 54,1% davon aus, dass sich die Inflationsrate in Deutschland nicht verändern wird. Die zweitgrößte Gruppe, 35,8% der Ökonomen, rechnet mit einer abnehmenden Teuerungsrate. Der Anteil derer, die an eine steigende Inflationsrate glauben hat sich etwas reduziert. Diese machen nun 10,1% der Befragten aus. Der Saldo liegt bei einem Wert von 25,7 Punkten (-11,0).
Anders sieht es in den USA aus. Im Saldo ist die Einschätzung für steigende Inflationsraten mit +9,9 auf 12,6 Zähler kräftig angestiegen.
Sinkende Leitzinsen erwartet
Bei den stark von den Notenbanken beeinflussten kurzfristigen Zinsen bleiben die Einschätzungen weiter abwärtsgerichtet. Auch nach den bereits erfolgten Leitzinssenkungen durch die EZB rechnet eine klare Mehrheit von 89,3% mit mindestens einer weiteren Senkung innerhalb der nächsten 6 Monate. Für die Fed sehen 74,7% reduzierte kurzfristige Zinsen. Ihr Anteil ist mit einem Minus von 8,7 Prozentpunkten jedoch etwas gesunken.
Renditen unverändert
Rund die Hälfte der Befragten sieht im kommenden halben Jahr unveränderte langfristige Zinsen. Für Deutschland sind es 47,8%, für die USA 45,6%. Mit rückläufigen Renditen in Deutschland rechnen 27,7% und in den USA 21,5% der Volkswirte. Steigende Langfristzinsen erwarten 24,5% für Deutschland und sogar 32,9% für die USA.
DAX nur noch mit geringem Kurspotential
Beim DAX hat die Zahl der Optimisten – wohl aufgrund der jüngsten Kurssteigerungen – abgenommen. Im Dezember rechnen 37,8% der Befragten in den kommenden sechs Monaten mit steigenden Notierungen. Mit 37,7% der Experten erwartet eine annähernd gleichgroße Gruppe einen unveränderten Deutschen Aktienindex. Mit einem rückläufigen Börsenbarometer rechnen 24,5%.
Dollar mit Aufwärtspotential
Die Mehrheit (59,5%) der Befragten sieht den US-Dollar gegenüber dem Euro für die nächsten sechs Monate mit einer Aufwertung. Während 32,7% keine Veränderung erwarten, gehen 7,8% von einer Abwertung aus.
Fazit: Die Lageeinschätzung ist auf historischen Tiefständen. Wohl aufgrund dieser niedrigen Ausgangsbasis haben sich die Konjunkturerwartungen im Dezember leicht verbessert.
Hintergrund: Vorbote konjunktureller Wendepunkte
Der ZEW Indikator gilt als Vorbote konjunktureller Wendepunkte in Deutschland. Die ZEW Konjunkturerwartungen sind ein Frühindikator für die wirtschaftliche Lage, vergleichbar mit den ifo Geschäftserwartungen. Abgefragt werden die Erwartungen für die kommenden sechs Monate.
ZEW Indikator seit 1991
Seit 1991 werden im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests monatlich bis zu 300 Expertinnen und Experten von Banken, Versicherungen und Finanzabteilungen ausgewählter Großunternehmen kontaktiert. Sie werden nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung in Deutschland, der Euro-Zone, den USA und China befragt.
Konkret sind es die Erwartungen für die nächsten 6 Monate bezüglich Wirtschaftswachstums, Inflationsraten, Zinsen, Aktienindizes und Wechselkursen.
An der Juli-Umfrage des ZEW vom 8. bis 15.07.2024 beteiligten sich 158 Personen.