Der gestrige Tag hat wieder einmal gezeigt, wie schnell sich die Aussagen des US-Präsidenten in die eine oder andere Richtung ändern können. Die hohe Unsicherheit und Ungewissheit an den Finanzmärkten über das weitere Vorgehen der US-Regierung dürfte anhalten. Im Moment sind wir sehr nahe an Trumps Wahlversprechen von universellen Importzöllen von 10 % bis 20 % und spezifischen Importzöllen auf chinesische Importe von 60 % bis 100 %.
Die Entwicklung der Kapitalmärkte in den letzten Tagen war historisch. Nachdem die weltweiten Aktienmärkte in den Tagen nach dem „Liberation Day“ tief ins Minus gerutscht waren, legte der Dow Jones um fast 8 %, der S&P500 um fast 10 % und der NASDAQ Composite um mehr als 12 % zu. Diesseits des Atlantiks überschritt der Dax nach einem Plus von über 5 % bis zum Mittag wieder deutlich die wichtige Marke von 20.000 Punkten. Die Renditen 10-jähriger US-Anleihen, die nach dem Liberation Day aus Rezessionsängsten unter die 4-Prozent-Marke gefallen waren, stiegen zwischenzeitlich wieder auf rund 4,5 % an und liegen nun bei rund 4,3 %.
Die Zollpolitik dürfte eines der zentralen Themen an den Finanzmärkten bleiben. In welche Richtung es gehen wird, ist weitgehend Spekulation. Nach der spürbaren Erleichterung an den Finanzmärkten dürfte sich das Augenmerk nun verstärkt auf die Einschätzung der Folgen der Eskalation im Handelskrieg zwischen den USA und China richten.
Auf der politischen Bühne in Deutschland haben sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Damit hat Deutschland in turbulenten und unsicheren Zeiten bald wieder eine handlungsfähige Regierung.
Wo es aufgrund von Krisen Risiken gibt, erwachsen meist auch Chancen. Bei den aktuellen Verwerfungen im globalen Handelssystem besteht die Chance für Deutschland und Europa sich als verlässlicher Wirtschaftsraum mit starken Institutionen zu präsentieren. Auch wenn aus ökonomischer Sicht sicher nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen Beifall erhalten werden, gibt es doch einige gute Ansätze im frischen Koalitionspapier. Insbesondere die Möglichkeit zur schnellen Abschreibung von Investitionen sowie der Wunsch zur Digitalisierung und zum Bürokratieabbau sind Forderungen, die es von Wirtschaftsexperten schon lange gibt. Hinzu kommt das bereits beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur. In Phasen einer konjunkturellen Abkühlung können gezielte fiskalischen Impulse ungenutzte Kapazitäten aktivieren statt in reinen Preisanstiegen zu verpuffen. Letztlich wird es an der konkreten Ausgestaltung und der Verlässlichkeit dieser Maßnahmen hängen, wie sich die Wirtschaft diesseits des Atlantiks perspektivisch weiterentwickeln wird.
Zwischen den sich überschlagenden Nachrichten auf der politischen Bühne dürfen jedoch die realen Wirtschaftsdaten nicht aus den Augen verloren werden. So präsentierte sich der US-Arbeitsmarkt in der vergangenen Woche weiterhin robust, was der US-Notenbank mehr Spielraum für die weitere Ausgestaltung ihrer Geldpolitik geben dürfte. In China blieb die Inflationsrate im März den zweiten Monat in Folge negativ. Die Sorge vor einer anhaltenden Deflationsphase hat weiter zugenommen.
Wie geht es weiter?
Die Handelspolitik der USA dürfte weiter im Fokus stehen, vor allem die weitere Entwicklung im Handelsstreit zwischen China und den USA. Die konkrete Ausgestaltung der von der chinesischen Regierung angekündigten Maßnahmen zur Abfederung der Zölle auf die eigene Wirtschaft dürften von besonderem Interesse sein.
Ein weiteres wichtiges Ereignis in der kommenden Woche ist die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Inflationsdaten aus Deutschland, Frankreich und Spanien waren zuletzt schwächer als vom Markt erwartet. Auch die Inflationsrate im Euroraum ist im Februar und März gesunken. Vor allem der nachlassende Preisauftrieb im Dienstleistungssektor dürfte für eine Zinssenkung sprechen. Wir rechnen mit einer Reduzierung um 0,25 Prozentpunkte. Interessant wird vor allem die Pressekonferenz sein, die neue Einblicke geben dürfte, wie die EZB den Einfluss der US-Politik einschätzt und bei ihren Entscheidungen berücksichtigt.
Zudem steht die Berichtssaison in den Startlöchern. Hier dürften weniger die Ergebnisse als vielmehr die Ausblicke der Unternehmen von Bedeutung sein.
Alles in allem raten wir in der aktuellen Situation dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich weder überstürzt aus Anlagen und ganzen Anlageklassen zurückzuziehen noch sich zu stark von der individuellen und langfristigen / strategischen Vermögensaufteilung zu entfernen. Eine aktuelle Beschreibung unserer Strategie haben wir in einem Marktupdate zusammenfasst.
Stand 10.04.2025